Kapitel 4

Gefunden hab ich sie, jetzt muss ich ihr nur noch klarmachen, dass ich hier bleibe. Wen ich meine? Name: Heimat

die ersten Sonnenstrahlen auf dem Fjell
Ich bin Carolin und du liest eine Story von a whisper in the cosmos, dem Ort für kleine Geschichten und Erlebnisse aus meinem Leben.

Hei ✨

Schön dich hier zu treffen. Ich finde es Wahnsinn, dass der erste Monat schon rum ist. Dabei hat es sich eigentlich nicht so angefühlt, als sei die Zeit vorbeigeflogen, und zugegeben, ich war auch noch viel unterwegs und nicht die ganze Zeit hier, aber trotzdem verrückt. Die erzwungene Langsamkeit der vergangenen Wochen hat dann doch einige Fortschritte hervorgebracht.
Mitte der Woche hatte ich auch (hoffentlich) Erfolg mit meinem Antrag für die D-Nummer (eine Art Identifikationsnummer, ohne die hier nix geht 😅), denn ich hab endlich jemanden gefunden, der mir das Formular dafür ausfüllt. Jetzt heißt es wieder warten, und in knapp zwei Wochen weiß ich dann Bescheid, ob es geklappt hat.

Dieser Oktober war herausfordernd, aber auf eine gute Weise. Das Einleben im Häuschen war einfach, auch die anfänglichen Schwierigkeiten mit dem Feuer haben sich (fast) gelegt. Ich kann alle Gespräche auf Norwegisch führen und muss nur selten nochmal nachfragen, weil ich was nicht verstanden habe (so wie letztens bei einem Telefonat, wo die Kundenberaterin eigentlich nur meine Postnummer (aka PLZ) wissen wollte und ich ihr in mehreren Anläufen versucht habe, meine Passnummer vom Perso zu diktieren, ehe ich verstanden hatte, was sie eigentlich wollte 😂). Die Umstellung, in Norwegen zu sein, war daher nicht das Problem, und irgendwie hat es sich von Anfang an sehr natürlich angefühlt und nicht nach einem großen Step. Viel mehr an mir genagt hat das wirklich, mit niemandem in Kontakt zu kommen. Normalerweise habe ich da kein Problem mit, aber so nur an einem Ort zu sein und dann niemanden zu sehen, ist schon anders.
Also Ziel für den nächsten Monat: Unter Leute kommen (🙈). Hätte ich auch nicht gedacht, dass ich das mal schreibe.
Heimweh hält sich zurück, nur eine kleine Vermissens-Welle hat mich bereits überrollt. Wie passend, dass genau an dem Tag ein Brief einer Freundin im Briefkasten lag. Als hätte sie es geahnt, waren ihre Zeilen genau das Richtige (Antwort ist unterwegs 😉).

Aber jetzt genug mit den Struggles des ersten Monats. Diese Woche war ich nämlich auch zum ersten Mal hier in der Gegend wandern, also lass mich dich mitnehmen auf eine kleine Tour in die Berge 🤗


Sonne, Mond und Frost 🌞

Ich trete in die Pfütze, und es knirscht unter meinem Schuh. Die Pfütze ist eine Eisfläche. Auch die ersten Schlucke aus der Trinkblase sind eisig, erst dann fließt das Wasser nach, das nicht in Kontakt mit der Außenluft war. Doch ganz schön kalt hier oben. Als ich eine Stunde zuvor den Rucksack geschultert habe und losgezogen bin, hielt die Nacht meine Umgebung noch mit losem Griff fest. Einzig der Halbmond stand weithin sichtbar über mir. Höhenmeter um Höhenmeter bin ich hinaufgestapft, während der Himmel in Pastellfarben den erwachenden Morgen begrüßte. Zumindest konnte ich hin und wieder etwas davon durch die Baumspitzen erspähen.
Die Baumgrenze habe ich mittlerweile hinter mir gelassen, und mein Herz klopft fest und laut, es muss sich erst einmal wieder an solche Aufstiege gewöhnen. Eigentlich wollte ich nur bis zu dem kleinen Hof, dem Ziel, das auf den Schildern stand, aber dann habe ich einen neuen Wegweiser gesehen und nach einem kurzen Blick auf die Karte bin ich weiter hinauf.

Vorsichtig hebe ich meinen Fuß von der Eisfläche und suche mir seitlich einen Weg vorbei. Nochmals ein kleiner Anstieg, dann stehe ich auf dem Bergrücken und das Panorama entfaltet sich vor mir. Die Wolken liegen unten im Tal, verdecken damit Straßen und Dörfer, aber hier oben ist blauer Himmel, wo als letzter Zeuge der Nacht noch immer der Mond steht, wo er auch noch einige Stunden bleiben wird, ehe er die Wacht vollständig an die Sonne übergeben wird. Ich drehe mich um die eigene Achse, während der einzige Laut, den ich wahrnehme, mein Atmen ist. Hinter mir glänzen ganz in der Ferne imposante, schneebedeckte Gipfel. Vor mir ragen schroffe Bergspitzen auf, die von dichten Nebelfeldern eingefasst werden. Dazwischen noch schneefreie Rücken, auf denen mir die für diese Gegend typischen hellen Flechten entgegenleuchten. Die gleichen Flechten, die auch rechts und links meines Pfades den Minusgraden und den gedimmten Farben des anklopfenden Winters trotzen.

Ich setze meinen Weg über das Fjell fort und nach einigen Minuten linst die Sonne das erste Mal am Horizont hervor. Die feinen Strahlen bringen die feinen Eiskristalle auf den Pflanzen zum Glitzern. Immer wieder muss ich gefrorenen Stellen ausweichen, um zu vermeiden, dass ich mich langlege. Dafür trete ich des Öfteren in erst halb gefrorenes Moos - meine Socken sind inzwischen vollgesogen mit dem frostigen Wasser. Kalt ist mir allerdings nicht, solange ich in Bewegung bin und es kommt mir wärmer vor, als es sein muss. Der Wind lässt es ruhig angehen, so öffne ich sogar zwischendurch meine Daunenjacke. Bisher habe ich niemanden getroffen und hier oben sieht man weit und breit auch kein Lebewesen. Ein paar alte Holzhütten stehen zusammen an einem kleinen See. Neben den Wegweisern und dem Pfad vor mir sind sie der einzige Hinweis auf Menschen. Nach einigen Kilometern über den Bergrücken und am See vorbei folgt noch einmal ein kurzer Anstieg, bei dem ich die 1000er-Linie knacke, und dann stehe ich auf dem Gipfel. Der Wind pustet hier schon kräftiger und ich suche den Windschatten einiger Steine auf. Für die Pause ziehe ich mir doch noch einen weiteren Pullover an. Meine durchtränkten Socken wechsle ich gegen ein Paar Wollsocken. Es dampft aus meinem Thermobecher, als ich heißen Tee hineingieße. Mit leicht tauben Fingern öffne ich die Snackbox, während ich die Aussicht und die Stille genieße, dann geht es wieder hinein in die klammen Schuhe und an den Abstieg – erstmal wieder warm laufen.

Der Rückweg führt mich durch einen moosigen Wald entlang eines schmalen, zweispurigen Pfades, bei dem man meint, jeden Augenblick würde einem entweder eine Kutsche begegnen oder ein Elch würde gleich vor einem stehen. Nach wenigen Kilometern ist die Sonne bereits nicht mehr zu sehen, so tief steht sie schon zu dieser Jahreszeit. Vermutlich sieht dieser Teil des Waldes sie gar nicht mehr für die nächsten Monate.
Kurz nach dem Mittag erreiche ich dann wieder Asphalt und den Ausgangspunkt meiner Wanderung. Das war ein ganz schönes Stück und genau das, was ich gebraucht habe: einmal den Kopf und die Gedanken durchpusten lassen. Den Rest des Tages lege ich die Beine hoch und lasse das Kaminfeuer knistern. Am nächsten Morgen wache ich mit Muskelkater auf 😆.


Inspiration

Ein Song, quasi der Soundtrack zur Wanderung 💫


Level Up ⬆️

Magischer kleiner Blechkasten 📫

Wahnsinn, der Briefkasten funktioniert. Am nächsten Tag war Werbung drin. Richtiges Wochenhighlight. Kontakt mit der Außenwelt.

Edit (drei Tage später): Mein Briefkasten kann nicht nur Werbung, er kann auch Briefe. Zauberhaft :)

Fäustlinge 🧤

Whoop whoop, mein erstes Strickprojekt ist fertig. Es ist ein Paar Fäustlinge geworden und sie sind tatsächlich als solche zu erkennen.

Gipfeltour ⛰️

Muss hier einfach nochmal rein. Die erste richtige Wanderung seitdem ich hier wohne.


Bis zum nächsten Mal ✨